Bedenke, Mensch … (2010, Mrz.)
Die 40 Tage der Fastenzeit sind eine Einladung zur Umkehr, die uns wieder mehr zu Gott, zu unseren Mitmenschen und zu uns selbst bringen will. Diese Umkehr ist heilsam, weil sie das Leben wieder reich und besser machen will. Deshalb heißt diese Zeit auch die österliche Bußzeit. Büßen heißt bessern. Wir dürfen unser Leben von Gott besser und heil machen lassen. So ist die Hinkehr zum lebendigen, liebenden und verzeihenden Gott der Schlüssel dieser liturgischen Zeit.
Auch die Zahl 40 hat dabei Symbolkraft. Jesus geht bewusst 40 Tage in die Wüste, um dort bei Gott seinem Vater zu sein. Im tiefen Gebet ist er mit ihm verbunden und wird mit ihm eins. Er fastet. Er enthält sich bewusst der Nahrung. Doch dieser Verzicht wird zu einem Gewinn für ihn. Er fühlt den Urgrund und den ursprünglichen Sinn seines Lebens. Im Staub der Wüste bedenkt er sein Leben, und die menschliche Vergänglichkeit offenbart sich gerade hier. Jesus kann im Staub der Wüste hautnah spüren, was uns beim Empfang des Aschenkreuzes gesagt wird: "Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst."
Wie das Volk Israel 40 Tage durch die Wüste gezogen ist, um zum ersehnten Ziel zu kommen und die neue Freiheit zu erlagen, so will Jesus uns durch Tod und Auferstehung erlösen und frei machen. Er bringt uns Menschen dadurch Heil, Wohlergehen und Auferstehung.
Die Fastenzeit nimmt uns mitten in die Wüstenerfahrung Jesu hinein. Durch Beten und Fasten kann unser Leben heilsam für andere sein. Es kann zum Segen und zum Wohlergehen für unsere Mitmenschen werden. Amen.
Gefüllte Krüge (2010, Jan.)
Eine chinesische Geschichte erzählt von einem jungen Paar, das zur Hochzeit Freunde und Bekannte eingeladen hat. Weil sie arm sind, bitten sie jeden Gast, eine Flasche Wein mitzubringen und den Wein in einen großen Krug am Eingang des Saales zu geben. Als der Wein in die Becher verteilt wird, kommt das große Entsetzen: Es ist kein Wein, es ist Wasser. Alle hatten sich gedacht, bei so viel Wein wird niemand merken, dass ich Wasser in den Krug geschüttet habe. Die Freude ist betrübt. Alle gehen bedrückt nach Hause.
Betrübte und verwässerte Freude beendet ein Fest. Wo das Leben wässrig wird, dort fehlen Verantwortung, Zivilcourage, Mut, Hoffnung und Begeisterung. Die Geschichte ist ein Beleg dafür.
Schlechte Stimmung schleicht sich auch auf der Hochzeit zu Kana ein. Der Wein geht aus, die Freude ist zerbrochen. Jesus, seine Jünger und seine Mutter Maria sind unter den Hochzeitsgästen. Wer kann dem abhelfen? Wer schenkt dem Leben wieder Heil, Fülle und Freude? Wer füllt die Krüge wieder?
Für Maria ist das klar und unumstößlich. Nur Jesus selbst kann Abhilfe leisten. Sie merkt die Not und gibt sie an Jesus weiter. Er fügt die Krüge des verlorengegangenen Lebens zusammen und füllt sie mit dem Reichtum des Geistes Gottes. Er füllt den Krug des Lebens mit Liebe und Freude, damit wir sie weiterschenken und ausgießen.
Ausschau halten nach dem Stern (2009, Dez.)
Eine kleine Adventfeier aus dem Vorjahr ist mir in Erinnerung geblieben. Alles war festlich vorbereitet und dekoriert. Adventlieder, die die Ankunft des Herrn besingen, eine Lesung aus der hl. Schrift, Gebete und Fürbitten bildeten den feierlichen Inhalt. Danach folgte ein festliches Mahl. Eine Fürbitte ließ mich dabei nachdenklich werden: Ich wünsche mir, dass der Advent wieder Advent ist. Ist er das nicht mehr? Verliert er seinen Sinn? Gibt er noch Orientierung?
Wann immer wir aufbrechen und wohin immer der Weg auch geht, wir brauchen die richtige Orientierung, um an das Ziel zu kommen. Im Wort Orientierung steckt der lateinische Ausdruck "oriens", der soviel bedeutet wie "aufgehend" bzw. "aufleuchtend". Gemeint ist hier die aufgehende Sonne, nach der die Menschen sich halten, um auf dem richtigen Weg zu bleiben. Wer die Orientierung behalten will und neu gewinnen will, der schaut nach der Sonne und nach den Sternen aus.
Der Sinn der Adventzeit liegt darin, Ausschau zu halten nach dem Stern, der uns zur Krippe führt. Wir schauen aus nach dem göttlichen Kind, das uns begegnen will, das uns sucht. In der Geburt Jesu geht Gott auf uns zu. Das feiern wir zu Weihnachten - die Geburt des menschgewordenen Gottes.
Jesus will gerade dort geboren werden, wo persönliche Sterne und Glücksmomente der Menschen verblasst sind - wo Sterben und Tod ins Leben gedrungen sind, wo die alltäglichen Sorgen niederdrücken, wo das Leben in der Familie belastet ist, wo die soziale Sicherheit wackelig wird, wo Alter und Krankheit vom ursprünglichen Leben abschneiden. Meldet sich hier nicht die leise Sehnsucht, die über das alles hinausreicht, nach einem Stern, der alles neu erhellt?
Diese Sehnsucht erfüllt sich in der Geburt Jesu. Sie wird erfüllt, wenn wir hineingehen in das Geheimnis, das hier für uns aufleuchtet. Weihnachten hüllt uns ein in diese Hoffnung. Es lohnt sich also, Ausschau zu halten nach dem Stern, der Orientierung gibt.
In diesem Sinne ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Ihr Pfarrer Michael Wüger
(2009, Mai)
Herr meiner Stunden und meiner Jahre,
du hast mir viel Zeit gegeben.
Sie liegt hinter mir,
und sie liegt vor mir.
Sie war mein und wird mein,
und ich habe sie von dir.
Ich danke dir für jeden Schlag der Uhr
und für jeden Morgen, den ich sehe.
Ich bitte dich, dass ich ein wenig dieser Zeit
freihalten darf von Befehl und Plicht,
ein wenig für die Stille,
ein wenig für das Spiel,
ein wenig für die Menschen
am Rande des Lebens,
die mich brauchen.
Ich bitte dich um Sorgfalt,
dass ich meine Zeit nicht töte,
nicht vertreibe,
nicht verderbe.
Jede Stunde ist ein Streifen Land.
Ich möchte ihn aufreißen mit dem Pflug,
ich möchte Liebe hineinwerfen,
Gedanken und Gespräche,
damit Frucht wächst.
Amen.